DIDIER HINZ REISEFOTOGRAFIE

Edelsteinsuche im Norden Kambodschas
dh / 24. Mar 2016

Edelsteinsuche im Norden Kambodschas

Eindrücke von einem merkwürdigen Geschehen in einer Kautschuckplantage in der Provinz Ratanakiri

Banlung, ein kleiner unscheinbarer Ort, der aus kaum mehr als einem Verkehrskreisel und einer Handvoll Straßenzügen besteht, ist die Hauptstadt der Provinz Ratanakiri im äußersten Nordosten Kambodschas. Sie liegt ca. 60 Km westlich der vietnamesischen Grenze; bis zur laotischen Grenze im Norden sind es keine 100 Km. Wir haben uns im Gästehaus Kim Morokot einquartiert, das zuvor unter dem Namen "Chay Vang" 13°44′20″N 106°59′15″E firmierte. Für zehn Dollar die Nacht beziehen wir ein einfaches, aber sauberes Zimmer ohne Fenster und Warmwasser. 
Hauptstraße in Banlung, Ratanakari (Kambodscha)
Die Provinz Ratanakiri ist das Armenhaus Kambodschas: wenig Infrastruktur, weitgehende Bedarfswirtschaft, niedrige Lebenserwartung. Eines der Probleme sind korrupte Eliten, die es zulassen, dass die natürlichen Ressourcen (vor allem Tropenholz) an Firmen in Vietnam und China verscherbelt werden.  
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Eine Kautschukplantage bei Banlung
Dennoch erfreut sich die Gegend zunehmender Beliebtheit unter Asien-Touristen. Das liegt nicht nur an ihren landschaftlichen Reizen wie dem imposanten Kratersee Yeak Loam unweit von Banlung oder einer Reihe schöner Wasserfälle. Immer beliebter sind Wanderungen ins Hochland, in die Dörfer der Khmer Loeu, übersetzt: "Hochland-Khmer". Diese Bergstämme - die Franzosen nannten sie "montagnards" - sind, im Gegensatz zur buddhistischen Mehrheitsbevölkerung im Lande, animistischen Glaubens. In der Provinz Ratanakiri sind diese "ethnischen Minderheiten" aber in der Mehrheit. Sie haben ihre eigene Sprache und Bräuche, welche die Zentralregierung jedoch immer weiter zurückzudrängen sucht. Die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen, die sich für den Erhalt ihrer Kultur einsetzen, werden von der Regierung zunehmend kontrolliert. 
Bereits in der Kolonialzeit Mitte des letzten Jahrhunderts haben die Franzosen hier große Kautschukplantagen angelegt, die heute noch bewirtschaftet werden. In der Khmer-Sprache bedeutet "Ratanakiri" soviel wie Edelsteinberg. Der Name verweist auf das Gold und die Halbedelsteine, die hier unter der Erde schlummern. 
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In einer Zirkonmine in der Provinz Ratanakiri
Am nächsten Morgen fahren wir auf der Nationalstraße 78 von Banlung in Richtung Osten. Sie verläuft parallel zur laotischen Grenze und verbindet das Mekong-Tal im Westen mit dem südlichen Teil Zentralvietnams im Osten. Links und rechts der Fernstraße blickt man auf eine hügelige, vom tropischen Grün der Wälder und Plantagen und vom leuchtenden Rot des Bodens farblich geprägte Landschaft. In der Ferne, im vietnamesischen Grenzgebiet, entdecken wir einige kahle Hügelkuppen, die sich über der ansonsten grünen Landschaft deutlich abzeichnen: Das Fehlen von Vegetation ist hier aber nicht dem illegalen Roden von Tropenholz geschuldet, das auf tieferen Höhen wächst. Es zeigt vielmehr die nachhaltige Wirkung des Entlaubungsmittels "Agent Orange", das die Amerikaner während des Vietnamkrieges, also vor mehr als vierzig Jahren, hier abgeworfen haben, um die Bewegungen der Vietkong-Verbände entlang des Ho-Chi-Minh-Pfades am Boden besser orten zu können. 
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Arbeiter in einer Zirkonmine östlich von Banlung
Nach einer guten halben Stunde biegen wir links in eine staubige Piste ab, die an einer [[13.746, 107.007 Gummibaumplantage]] entlang führt. Nach ein paar Minuten halten wir an und steigen aus. Das vermeintlich einsame Waldstück wirkt irgendwie merkwürdig... Der rotfarbene Boden zwischen den Bäumen ist soweit das Auge reicht aufgewühlt, so als wäre in der Nacht ein überdimensionaler Maulwurf am Werk gewesen... Zwischen den unzähligen Erdhaufen bewegen sich Gestalten, die aufgrund der Lichtkontraste, die die Sonne unter den Baumkronen hervorruft, zunächst nur undeutlich zu erkennen sind.  
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Erdförderung in der Zirkonmine
Hier und da eine Seilwinde. Darunter ein Erdschacht, in dem das Seil verschwindet. Männer, die so rot aussehen wie die Erde, betätigen sich rund um die Schächte, die meisten von ihnen mit nacktem Oberkörper, einige eine Lampe am Kopf. Andere Männer liegen regungslos auf einem Erdhaufen, vermutlich schlafen sie. Auch Frauen und Kinder sind zu sehen. Von den vielen Menschen, die hier offensichtlich anwesend sind, nehmen wir nur eine dumpfe, ferne, ja unwirkliche Geräuschkulisse wahr.  
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Qualitätsprüfung in einer Zirkonmine in Kambodscha
 
Nach und nach schärft sich das Bild aber, und unsere Vermutung wird zur Gewissheit: Wir stehen vor der gesuchten Edelsteinmine und beobachten die Bergleute bei ihrer Arbeit. Sie verbringen den ganzen Tag in dem Waldstück, das die Baumreihen auf natürliche Weise in Arbeitsareale aufteilt. Auf jedem Areal zwischen vier Gummibäumen arbeitet ein kleines Team von Männern, das mit Hilfe einer Seilwinde rote körnige Erde nach oben fördert und diese neben den Schächten auftürmt. Es sind diese Aufhäufungen, die dem gesamten Bereich den Eindruck eines riesigen Maulwurffeldes geben. 
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Essenspause in der Zirkonmine
Die kreisrunden Erdschächte sind eng und führen mehr als 10 Meter in die Tiefe, weit unterhalb des Wurzelwerks der Kautschukbäume, so dass ihre Bewirtschaftung von dem Betrieb der Mine nicht beeinträchtigt wird. Der Abstieg in den Schacht geschieht über einfache Kerben, die in die Erdwand eingelassen sind und als Fußstützen dienen. Jeder Erdhaufen muss in mühsamer Handarbeit durchwühlt und nach Kristallen durchsucht werden. Mit viel Glück fischen die Arbeiter dabei ein kleines Stück Zirkon heraus, einen mal blau, mal orange schimmernden Halbedelstein. Spezialisten prüfen dessen Reinheit und Qualität an Ort und Stelle und bewerten es.  
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Essenspause in der Zirkonmine
Das Geschäftsmodell ist jedoch hart: Das Waldstück wird von einem Pächter bewirtschaftet, der aufgrund der gefallenen Kautschukpreise auf dem Weltmarkt weniger auf die Bewirtschaftung der Bäume setzt als auf das Geschäft mit den Steinen. Zwar ist dieses Geschäft offiziell verboten, aber unter der Hand lässt der Pächter die lokale Bevölkerung auf seinem Areal entgeldfrei graben, d.h. auf eigenes Risiko, ohne Entlohnung und ohne Versicherung. Wer was findet, muss seinen Fund selbstverständlich abgeben und wird dafür knapp bezahlt. Wer nichts findet, geht dagegen leer aus. Mit ihm seine Familie, die mitunter den Tag mit auf dem Feld verbringt und die arbeitenden Männer umsorgt.  
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Kinder in einer Zirkonmine in Kambodscha
Der gesamte Arbeitsprozess kommt ganz ohne Maschinen aus. Ein zweischneidiger Umstand: Einerseits sind die einzelnen Arbeitsgänge überschaubar und relativ einfach auszuführen. Andererseits tauschen die Arbeiter ihren unsicheren Lohn gegen ein entsagungsreiches Leben ein, das sie weder vor Krankheit oder Unwetter schützt, noch ihnen die Aussicht auf einen beruflichen Aufstieg oder gar ein besseres Leben gibt. Umso erstaunlicher ist es, wie harmonisch das Miteinander ist. Wir konnten sogar beobachten, wie ein Arbeiter sich in einer Pause mit einem Jugendlichen einen spielerischen Kung-Fu-Kampf lieferte. Sogar gelacht wurde dabei!  
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Minenarbeiter beim Zeitvertreib
Ansonsten sind aber die Gesichtszüge der Menschen hart, so hart wie das Leben, das sie führen.  
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Das harte Los einen Minenarbeiters
Aufgrund der besonderen Lichtgebung in dem Waldstück erinnert mich eine Momentaufnahme des Geschehens an gewisse Maler des Realismus des endenden 19. Jahrhunderts, die das Elend des Landproletariats thematisiert haben. 
Um das Einkommen ihrer Männer aufzubessern, bieten Frauen am Wegesrand Fundstücke minderer Qualität zum Verkauf an, ab 5 Dollar aufwärts.